Konzept

Kommunikative Sprachförderung

Eine Sprache lernt man durch Sprechen

Wer eine Sprache lernen will, braucht vor allem eines: Mündliche Sprachpraxis. Beim Sprechen wird Sprache konkret angewendet. Im Gespräch mit anderen Personen zeigt Sprache unmittelbar Wirkung und die Sprechenden haben das Gefühl, mit dem Gesagten etwas zu be-wirken.

Den Nutzen der Sprache erleben

Der gebrauchsbasierte Sprachlernansatz («Focus on meaning») soll Sprachanfängern und Sprachanfängerinnen eine motivierende und sinnvolle Möglichkeit bieten mündliche Sprachpraxis zu sammeln. Dabei steht die funktionale Bedeutung der Sprache stets im Vordergrund. Die sprachlichen Handlungen der Lernenden haben einen konkreten Nutzen.

Form follows Function

Der gebrauchsbasierte Sprachlernansatz ergänzt den traditionellen und systematischen Fremdsprachenunterricht, der sich überwiegend der Schriftsprache zuwendet und sich daher vor allem an formalen und strukturellen Aspekten der Sprache orientiert.

Sprechen in konkreten Situationen

Film- und theaterpädagogische Sprachförderung baut auf den Prinzipien des gebrauchsbasierten Sprachlernansatzes auf. Kommunikation und pragmatischer Sprachgebrauch stehen im Vordergrund. Die Lernenden sollen in film- und theaterpädagogischen Situationen vor allem Sprechen, was im traditionellen Fremdsprachenunterricht manchmal zu kurz kommen kann.

Sprechanlässe aktivieren Sprachwissen

Film- und theaterpädagogische Sprachförderung schafft Sprechanlässe in handlungsorientierten, situativen, natürlichen und zielgerichteten Kontexten, in denen die Lernenden ihr theoretisches sprachliches Wissen aktivieren und anwenden können. Zudem werden dabei die nötigen pragmatischen Mittel und Strategien vermittelt, um mit einem Gesprächspartner situativ und spontan kommunizieren zu können.

Die Form betrachten

Erst im zweiten Schritt geht es um die korrekt gewählte sprachliche Form. Beispiele hierfür sind Schreibanlässe wie das Schreiben des Drehbuches oder das Schreiben der Dialoge für den Film.

Theater und Sprache


Motivierende Sprecherfahrungen

Theaterpädagogische Übungen und Spiele bieten einen Schutzraum zur Erprobung von Sprache. Ähnlich wie bei der Filmarbeit kann das situative und handlungsorientierte Sprechen trainiert werden. Theater spielen kann ein niederschwelliger und lustvoller Einstieg in die fremdsprachliche Kommunikation sein.

Sprache und Körpersprache

Spielerische und experimentelle Formen der Sprachnutzung, bei denen man auch bewusst gegen formale Sprachkonventionen verstossen kann, wirken besonders motivierend. Bei einigen Spielen und Übungen kann ganz auf Sprache verzichtet werden, andere wiederum setzen auf die sprachliche Vermittlung, jedoch unterstützt durch den körperlichen Ausdruck.

Bewegte Sprache

Sprachenlernen beim Theaterspielen bedeutet mehrere Sinne und den ganzen Körper zu nutzen. Der Körper ist beim Spiel häufig in Bewegung, wodurch Sprachlernprozesse leicht an motorische Abläufe geknüpft und ggf. kognitiv besser verankert werden können.

Übungen erklären und vorführen

Das Bedürfnis für den Ausbau des Hörverständnisses wird beim Erklären von Spielen oder beim Vorführen einzelner Übungen gefördert. Der dafür benötigte Wortschatz kann neben der Übersetzung von Vokabeln durch den körperlichen Ausdruck erweitert bzw. spielerisch kompensiert werden – z. B. durch Formen der Pantomime.

Schauspielrealität als Schutzraum

Das Theaterspielen bildet einen Schutzraum zum Austesten der eigenen Sprachfähigkeiten und -fertigkeiten. Die Improvisation von Alltagssituationen oder Gesprächen fördert den sprachlichen Ausdruck und hilft gleichzeitig Sprechhemmungen abzubauen und Sprachbarrieren zu verringern.

Die Kommunikation findet in einem geschützten Rahmen statt. Die Spielerinnen und Spieler können sich unter Umständen sogar hinter den Figuren, die sie darstellen, verstecken und treten weniger als sie selbst auf. Das erleichtert es ihnen Abweichungen von der Standardsprachnorm zu riskieren und formale Fehler zuzulassen.

Selbstbewusst experimentieren

Beim Spielen einer Figur ist es möglich, unterschiedliche Aspekte des Sprachgebrauchs auszutesten und beispielsweise gezielt an der Aussprache oder sogar Dialekten zu arbeiten. Zudem stärken der körperliche Ausdruck und die positiven Sprecherfahrungen das Selbstbewusstsein der Spielerinnen und Spieler, sodass sie sich im Umgang mit der (Fremd-)Sprache, ob auf der Bühne oder im realen Leben, sicherer fühlen.

Persönlichkeitsbildung

Theaterpädagogische Arbeit zielt nach unserem Verständnis nicht ausschließlich auf die Aufführung eines Theaterstücks ab. Theaterpädagogik ist prozessorientiert und fördert die persönliche, soziale und ästhetische Entwicklung der Spielenden. Sie trägt zur Persönlichkeitsbildung und zum Abbau von Sprachbarrieren bei.

Film und Sprache

Sprache verliert ihre Flüchtigkeit

Mündliche Kommunikation ist im Alltag situativ und flüchtig. Bei der Videoarbeit wird mündliche Sprachproduktion festgehalten. Sie kann analysiert, reflektiert und schrittweise optimiert werden.

Bilder als Sprechanlass

Video-Bilder sagen manchmal mehr als Worte. Sie sind konkret, anschaulich und lassen sich gut beschreiben, d. h. in der Fremdsprache verbalisieren.

Mehrsprachlichkeit als Ressource

Untertitelung und Synchronisierung von Filmsequenzen bieten viele attraktive Möglichkeiten, die Herkunftssprachen der DaZ- bzw. DaF-Lernenden im Sinne der Mehrsprachlichkeit als Ressourcen zu würdigen und in den Schaffensprozess einzubeziehen.

Motivation

Das kreative Gestalten mit dem Medium Video ist bei Schülerinnen und Schülern meist positiv besetzt.

Teamplay

Videoarbeit bedeutet Arbeitsteilung. Kommunikation und Absprache im Team sind für einen erfolgreichen Produktionsprozess unbedingt erforderlich (Sprechanlass).

Erzählen und Erklären

Je nach Film-Genre müssen kleine Geschichten entwickelt und erzählt, Vorgänge und Sachverhalte in Bild, Sprache und Ton erklärt, Interviews geführt und ausgewertet werden. Die Filmproduktion an sich beinhaltet eine Fülle motivierender und kreativer Schreib- und Sprechanlässe.

Filmspezifischer Wortschatz

Für die zielgerichtete Kommunikation am Film-Set ist ein filmspezifischer Wortschatz erforderlich. Der neu erworbene Fachwortschatz in der Fremdsprache kann sofort angewendet werden, indem sich die Lernenden gegenseitig ihre Ideen zur Filmgestaltung mitteilen.

Film ist mehr als Spielfilm

Wenn im Folgenden von «Film» bzw. «Video» die Rede ist, ist damit nicht nur der klassische Spielfilm gemeint. Anschlussfähiger für den Unterricht sind oft Miniaturformate, die sich innerhalb von einer oder von wenigen Unterrichtsstunden umsetzen lassen, z. B. dokumentarische Filmformate, Kunstfilm, Erklär-Videos, Video-Tutorials, One-Take-Handyvideos, u.v.m.

Film, Theater und Sprache

Kreative Ausdrucksformen

Der Ansatz der „film- und theaterpädagogischen Sprachförderung“ zielt auch auf die Synergien beider Zugänge ab. Beide fördern und fordern kreatives und experimentelles (sprachliches) Handeln. Beide integrieren Sprache auf verschiedenen Ebenen und bieten attraktive Hilfen für die Sprachproduktion an. Bei der aktiven Filmarbeit werden beide Zugänge im Prozess und im Produkt aufeinander bezogen. Der theaterpädagogische Zugang legt mit entsprechenden Übungen und Spielen die Basis für eine ungezwungene Arbeits- und Kommunikationsatmosphäre.

Übungen als Eisbrecher

Die Übungen fungieren als Eisbrecher und fördern die Teambildung, was wiederum eine wichtige Voraussetzung dafür ist, gemeinsam erfolgreich Filmproduktionsprozesse zu bewältigen. Die Filmarbeit wiederum regt die Lernenden dazu an, ihr schauspielerisches Handeln zu reflektieren und dabei sowohl auf die körpersprachliche als auch auf die fremdsprachliche Performance zu achten.

Sprache im Film souverän sprechen

Schauspieltraining verleiht Selbstbewusstsein und befähigt die Fremdsprachenlerner/innen zur souveränen Nutzung der Sprache – auch im Bewusstsein, womöglich nicht fehlerfrei zu sprechen.

Schauspielerische Performance wird wiederholbar

Im Unterschied zu herkömmlichen Theaterproduktionen ist das Schauspiel für die und vor der Kamera in einen Aufnahmekontext eingebunden, wodurch die Performance prinzipiell beliebig oft wiederholbar wird. Das vermittelt zusätzliche Sicherheit. Die Gefahr oder gar die Angst, zu versagen, ist relativ gering, wenn bei (sprachlichen) Fehlversuchen die Fehler problemlos „ausgebügelt“ werden können. Rollentexte zu lernen oder frei improvisiert zu sprechen, rhetorische Fertigkeiten bewusst einzusetzen, macht in diesem Lernkontext einfach Spass.

Stolz sein auf das Ergebnis

Die Dokumentation erfolgreicher Sprachverwendung im Filmprodukt führt ausserdem dazu, dass die Lernenden ihre Sprachfortschritte erkennen können und im Falle der Veröffentlichung der Filme können die Akteure angesichts der (anerkennenden) Reaktionen des Publikums stolz auf ihr Produkt sein – trotz etwaiger Verstösse gegen gängige Sprachkonventionen. Dieser Umstand macht den Ansatz auch für Spracheinsteiger wie beispielsweise Flüchtlinge attraktiv.

Aus Figuren Filmgeschichten entwickeln

Die Synergien von Filmbildung und Theaterpädagogik beschränken sich aber nicht auf die konkreten Belange der Sprachförderung. Darüber hinaus befruchten sie sich auch auf der gestalterischen Ebene. Im Rahmen der Konzept- und/oder Geschichtenentwicklung für ein Filmprodukt gehen die Lernenden beispielsweise von Figuren aus, die sie im Rahmen theaterpädagogischer Übungen mitsamt ihrer fiktiven Lebensgeschichte selbst entwickelt haben. Sie versetzen ihre Figuren in verschiedene Schauplätze und lassen sie mit Requisiten agieren, um damit auszuloten, welche Geschichte zu ihrer Figur am besten passt. So entstehen bspw. Ideen für den filmischen Plot einer Kurzgeschichte, die unter Rückgriff auf die verfügbaren filmischen Mittel ausgearbeitet werden. Indirekt erwachsen aus derlei Wechselwirkungen wiederum vielfältige Sprech- und Schreibanlässe in der Fremdsprache.

Mit Film und Theater an Stärken anknüpfen

Die Kombination beider Darstellungsformen in unserem Sprachförderansatz gibt den Lernenden die Möglichkeit, entsprechend ihrer eigenen Stärken Schwerpunkte zu setzen und den Fremdspracherwerb – unabhängig von ihrem jeweiligen Sprachstand – mit lustvollen Tätigkeiten zu verbinden.